Ungewollte Schwangerschaft vermeiden

Ungewollte Schwangerschaft - Hormonelle Verhütung

Ungewollte Schwangerschaft vermeiden

Ungewollte Schwangerschaft vermeiden

Gute Beratung und offene Gespräche oder kostenlose Verhütungsmittel?

Von verschiedener Seite wurde in den letzten Monaten die kostenlose Freigabe hormoneller Verhütungsmittel gefordert – gerade auch für Jugendliche. Als Grund wird meist die Vermeidung ungewollter Schwangerschaften vorgebracht. Doch insbesondere für Jugendliche ist die kostenlose Freigabe dieser Verhütungsmittel aus mehreren Gründen problematisch.

In gegenseitiger Achtung und Hingabe gelebte Sexualität ist etwas sehr Schönes. Doch sie erfordert eine gewisse Reife. Wenn 13jährige in der Apotheke die „Pille danach“ verlangen, hat das mit verantwortungsvoller Sexualität wenig zu tun. Allein über Verhütungsmethoden zu reden, hilft da nicht weiter. Es verwundert immer wieder, dass bei den Debatten um Verhütung fast nie auf die menschlichen und gesundheitlichen Aspekte eingegangen wird.

Sexuelle Intimität erzeugt Bindung

Menschlich: Sexuelle Intimität erzeugt Bindung. Biochemisch ist dafür u.a. das Hormon Oxytocin zuständig, das bei liebevoller Berührung, beim Saugen des Säuglings an der Brust, aber eben auch beim Orgasmus ausgeschüttet wird. Häufiges Wechseln des Sexpartners / der Sexpartnerin könnte also der Fähigkeit entgegenwirken, stabile Beziehungen aufzubauen, weil immer wieder eine emotionale und biochemisch unterstützte Bindung zuerst erzeugt, dann gebrochen wird. Dabei sind stabile Beziehungen und Familiengründung etwas, dass sich laut Shell-Jugendstudie immer mehr junge Menschen ausdrücklich wünschen.

Daher stellt sich die Frage, ob man mit Jugendlichen nicht insbesondere darüber reden sollte, dass erfüllende und verantwortungsvolle Sexualität, die über die bloße, schnelle Lustbefriedigung hinausgeht, in die Zukunft blickt – eben weil man mit einer Person schläft, mit der man sich zumindest vorstellen kann, das restliche Leben gemeinsam zu verbringen und gegebenenfalls eine Familie zu gründen. Wer Sexualität auf Lustempfinden und den Umgang damit auf Verhütung reduziert, greift zu kurz. Ein Beispiel von einer ‚Beratungsstelle‘ in London: Da kommen am Freitagabend Studentinnen, um sich für den eventuellen Sex am Wochenende (wohlgemerkt: VOR dem Sex!) die „Pille danach“ abzuholen – weil sie gratis und ohne allzu umfangreiche Beratung abgegeben wird.

Andererseits ist es bemerkenswert, dass die US-Organisation Power to Decide feststellte, dass „die Idee, erst später Geschlechtsverkehr zu haben,“ von Jugendlichen in den USA immer mehr Zustimmung findet. Wenn man, ohne die Moralkeule zu schwingen, mit Jugendlichen offen über die Bedeutung von Sexualität redet, könnte manche Teenagerschwangerschaft auch ohne Verhütungsmittel vermieden werden. Natürlich gibt es unter Jugendlichen feste Beziehungen, bei denen in liebevollem Miteinander an Sex gedacht wird – wobei auch hier die Frage zu stellen ist, ob all diesen Paaren die Tragweite sexueller Intimität bewusst ist. Allzu oft wird jedoch vermeintlichem oder tatsächlichem Druck durch den Freund oder die Gruppe nachgegeben.

Auswirkungen auf die Gesundheit

Gesundheitlich: Wenn man für eine bedingungslose Freigabe von Verhütungsmitteln eintritt, dann sollten, ja, müssen auch die negativen Aspekte genannt werden. So berichteten in den letzten Jahren Zeitungen und Zeitschriften aller Couleur zunehmend über Thrombosefälle nach langjähriger Einnahme der „Anti-Baby-Pille“– bis hin zu Gerichtsprozessen gegen die Hersteller. Vor einiger Zeit untersuchte ein Team aus Dänemark die psychischen Folgen hormoneller Verhütung. Die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, dass Frauen, die hormonell verhüten, ein erhöhtes Risiko für Depression in Kauf nehmen müssen. Dieses Risiko scheint bei jugendlichen Mädchen noch einmal deutlich größer zu sein. Bei ihnen kommt hinzu, dass die Einnahme derartiger Hormonpräparate die Ausbildung des Zyklus beeinflusst. Die Sportmedizinerin Lisa Veith-Gruber wies in der Grazer Woche zudem darauf hin, dass „die Pille die Sportmotivation der Mädchen negativ“ beeinflusse – denn das individuelle Verhältnis von Östrogenen zu Testosteron werde in Richtung Östrogene verschoben. Als Folge sinke die Lust an Sport. Bei aller Selbstbestimmtheit muss es also ein Kernanliegen sexueller Aufklärung sein, nicht nur über Verhütungsmittel zur Vermeidung von (Teenager-) Schwangerschaften zu informieren, sondern auch über deren Risiken aufzuklären.

Gelebte Verantwortung

Zudem könnte man trefflich darüber diskutieren, ob die hormonelle Verhütung zur sexuellen Befreiung der Frau beiträgt. Denn letztlich ist es wieder sie, die das Risiko trägt – diesmal nicht der Schwangerschaft, sondern möglicher Nebenwirkungen durch einen chemischen Eingriff in ihren Stoffwechsel. Nur Kondom oder natürliche Empfängnisregelung beziehen den Mann als Partner und damit partnerschaftlich in die Verhütung mit ein.

Schließlich darf ein Aspekt, der bei vielen Diskussionen um Verhütung erstaunlicherweise kaum mehr Beachtung findet, keinesfalls fehlen: KEINE hormonelle Verhütung schützt vor Geschlechtskrankheiten. Zunehmende sexuelle Sorglosigkeit und die Einstellung, dass Therapien auch nach einer Infektion ein (Über-)Leben mit HIV möglich machen, führen dazu, dass HIV-Infektionen in einigen europäischen Ländern wieder zunehmen. Auch die weniger bekannte bakterielle Gonorrhoe (Tripper) ist auf dem Vormarsch: In Europa zählte das European Centre for Disease Prevention and Control für 2016 mehr als 75 000 gemeldete Fälle. In Österreich stieg die Zahl von 283 (2013) auf 1148 Fälle (2014) – danach wurden in unserem Land zu dieser Krankheit keine Patientendaten mehr erhoben. Besonders beunruhigend: Manche Stämme der Bakterien, die Gonorrhoe hervorrufen, sind mittlerweile resistent gegen einige Antibiotika. Das einzige Verhütungsmittel, das weitgehend Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten bietet, ist das Kondom – sofern es richtig angewendet wird.

Umfassende Information ist erforderlich

In Summe wäre vorzuschlagen, den berechtigten Wunsch nach einem „zeitgemäßen Sexualunterricht an Schulen und Bildungseinrichtungen“ (so Heike Grebien vom Women’s Action Forum in der Grazer Woche) nicht auf hormonelle Verhütung zu reduzieren, sondern Respekt, Würde und Liebe (ja, vielleicht sogar Treue!) in das Zentrum der Diskussionen mit den Jugendlichen zu stellen – und beim Thema Verhütung die ganze Bandbreite der zur Verfügung stehenden Mittel vorzustellen, ohne dabei die Nachteile einzelner Methoden auszusparen.

(Fortsetzung folgt: Übersicht zu Verhütungsmethoden)

Uwe Simon