04 Jun Rezension: „Sexualerziehung kritisch hinterfragt“
Sexualerziehung kritisch hinterfragt
In ihrem Buch „Sexualerziehung – Kritisch hinterfragt“ (Berlin 2019) beschäftigt sich die Lehrerin und Biologiedidaktikprofessorin Karla Etschenberg mit aktuellen Trends in der Sexualerziehung. Eine ihrer Thesen: Die gegenwärtige Sexualpädagogik würde unter dem Begriff der sexuellen Bildung eine Sexualisierung der Kinder fördern, die nicht zuletzt auch wirtschaftlichen Interessen in die Karten spiele.
Ähnlich wie die restriktive, an Verboten ausgerichtete Sexualpädagogik, die Etschenberg vor allem der katholischen Kirche zuschreibt, gebe auch die sogenannte neo-emanzipatorische Sexualerziehung Sichtweisen vor, ohne sich dabei auf wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse zu beziehen. Das gelte besonders für Aussagen über die Entwicklung der „Sexualität“ in der Kindheit. Etschenberg kritisiert, dass Vorschläge zur Sexualerziehung im Kita-Alter, wie sie auch in den WHO-Standards für Sexualerziehung des Regionalbüros für Europa (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung/BZgA, Köln 2011) zu finden sind, auf Sichtweisen aufbauen, die nicht auf wissenschaftlich gesicherten Fakten beruhen, sondern auf einem bestimmten sexualpädagogischen Konzept. Als Beispiel führt sie „sexuelle“ Betätigungen im (frühen) Kindheitsalter an, die als Norm gesetzt und propagiert werden, ohne dass es über die vorgeblich positiven Auswirkungen auf Mädchen und Jungen wissenschaftlichen Konsens gibt. Sie drückt ihre Besorgnis aus, dass dieses Konzept sexuellen Übergriffen von Erwachsenen auf Kinder und zwischen Kindern Vorschub leistet.
Sie spricht sich für eine sexualfreundliche affirmative Sexualerziehung in Abgrenzung zu einer verbotsorientierten restriktiven und einer neo-emanzipatorischen sexualisierenden Sexualpädagogik aus. Umfassend setzt sich Prof. Dr. Etschenberg außerdem mit den verschiedenen Begrifflen wie Sexualerziehung, Sexualpädagogik und sexuelle Bildung auseinander und beleuchtet die jeweiligen Konsequenzen für schulische Sexualerziehung. Schließlich problematisiert sie die allgegenwärtige Möglichkeit für Kinder und Jugendliche auf pornografische Materialien im Internet zugreifen zu können und macht deutlich, dass Kinder und Jugendliche heute befähigt werden müssen, mit dieser Möglichkeit umzugehen und lernen sollten, sich vor Inhalten zu schützen, die ihnen schaden könnten.
Die Buch macht nachdenklich und ermutigt Eltern und Lehrpersonen bzw. Erzieher und Erzieherinnen, sich im Interesse ihrer Kinder mit der Sexualerziehung in Kita und Schule und mit deren konzeptionellem Hintergrund auseinanderzusetzen.