
14 März Papst Franziskus über Sexualerziehung
Best of Amoris Laetitia
Eingebettet in eine Erziehung zur Liebe, zum gegenseitigen Sich-Schenken zu verstehen
Erziehung bedeutet immer eine Einbettung in den Gesamtkontext des Lebens, sie findet niemals am sogenannten „grünen Tisch“ fernab der Realität statt.
Gerade im sensiblen Bereich der Sexualerziehung – der Aufklärung – stehen Eltern vor einer besonderen Herausforderung: Es geht hier um Themen, die sowohl den innersten Kern ihrer Kinder als auch ihren eigenen innersten Kern berühren. Es geht um die eigene Identität und die intimste Form der Körpersprache, die höchste Ausdrucksform der menschlichen Zärtlichkeit. Gleichzeitig liegt auch genau hier der Ursprung des Lebens, es ist diese körperliche Vereinigung, durch die die menschliche Liebe fruchtbar werden kann.
Aufklärung im sanften, wertschätzenden und begleitenden Sinn will Kindern diese Zusammenhänge in Ehrfurcht nahe bringen. Aber wie geht man da praktisch ans Thema heran?
Papst Franziskus selbst gibt uns Eltern ganz konkrete Hilfe in seiner Enzyklika „Amoris Laetitia“.
Nehmen wir diese Verantwortung wahr!
- Das Zweite Vatikanische Konzil sprach von der Notwendigkeit, die Kinder und Jugendlichen » durch eine positive und kluge Geschlechtserziehung « zu unterweisen, die » den jeweiligen Altersstufen « angepasst ist und die » Fortschritte der psychologischen, der pädagogischen und der didaktischen Wissenschaft « verwertet.Wir müssten uns fragen, ob unsere Erziehungseinrichtungen diese Herausforderung angenommen haben. Es ist schwierig, in einer Zeit, in der die Geschlechtlichkeit dazu neigt, banalisiert zu werden und zu verarmen, eine Sexualerziehung zu planen. Sie könnte nur im Rahmen einer Erziehung zur Liebe, zum gegenseitigen Sich-Schenken verstanden werden. Auf diese Weise sieht sich die Sprache der Geschlechtlichkeit nicht einer traurigen Verarmung ausgesetzt, sondern wird bereichert. Der Sexualtrieb kann geschult werden in einem Weg der Selbsterkenntnis und der Entwicklung einer Fähigkeit zur Selbstbeherrschung, die helfen können, wertvolle Fähigkeiten zur Freude und zur liebevollen Begegnung zu Tage zu fördern.
Information muss im geeigneten Moment kommen und in einer Weise, die der Phase ihres Lebens angepasst ist.
- Die Sexualerziehung bietet Information, jedoch ohne zu vergessen, dass die Kinder und die Jugendlichen nicht die volle Reife erlangt haben. Die Information muss im geeigneten Moment kommen und in einer Weise, die der Phase ihres Lebens angepasst ist. Es ist nicht dienlich, sie mit Daten zu übersättigen, ohne die Entwicklung eines kritischen Empfindens zu fördern gegenüber einem Überhandnehmen von Vorschlägen, gegenüber der außer Kontrolle geratenen Pornographie und der Überladung mit Stimulierungen, welche die Geschlechtlichkeit verkrüppeln lassen können. Die Jugendlichen müssen bemerken können, dass sie mit Botschaften bombardiert werden, die nicht ihr Wohl und ihre Reifung anstreben. Man muss ihnen helfen, die positiven Einflüsse zu erkennen und zu suchen, während sie sich zugleich von all dem distanzieren, was ihre Liebesfähigkeit entstellt. Ebenso müssen wir akzeptieren, dass sich »die Notwendigkeit einer neuen und angemesseneren Sprache […] vor allem [zeigt], wenn Kinder und Jugendliche in das Thema der Sexualität eingeführt werden sollen «.
Schamgefühl als Schutz stärken
- Eine Sexualerziehung, die ein gewisses Schamgefühl hütet, ist ein unermesslicher Wert, auch wenn heute manche meinen, das sei eine Frage anderer Zeiten. Es ist eine natürliche Verteidigung des Menschen, der seine Innerlichkeit schützt und vermeidet, zu einem bloßen Objekt zu werden. Ohne Schamhaftigkeit können wir die Zuneigung und die Sexualität zu Formen von Besessenheit herabwürdigen, die uns nur auf den Geschlechtsakt konzentrieren, auf Krankhaftigkeiten, die unsere Liebesfähigkeit entstellen, und auf verschiede Formen sexueller Gewalt, die uns dazu führen, unmenschlich behandelt zu werden oder andere zu schädigen.
Sexualerziehung als Vorbereitung zum ganzheitlichen und großherzigen Sich-Schenkens
- Häufig konzentriert sich die Sexualerziehung auf die Einladung, sich zu „hüten“, und für einen „sicheren Sex“ zu sorgen. Diese Ausdrücke vermitteln eine negative Haltung gegenüber dem natürlichen Zeugungszweck der Geschlechtlichkeit, als sei ein eventuelles Kind ein Feind, vor dem man sich schützen muss. So wird anstatt einer Annahme die narzisstische Aggressivität gefördert. Es ist unverantwortlich, die Jugendlichen einzuladen, mit ihrem Körper und ihren Begierden zu spielen, als hätten sie die Reife, die Werte, die gegenseitige Verpflichtung und die Ziele, die der Ehe eigen sind. Auf diese Weise ermutigt man sie leichtsinnig, den anderen Menschen als Objekt von Kompensationsversuchen eigener Mängel oder großer Beschränkungen zu gebrauchen. Es ist hingegen wichtig, ihnen einen Weg aufzuzeigen zu verschiedenen Ausdrucksformen der Liebe, zur gegenseitigen Fürsorge, zur respektvollen Zärtlichkeit, zu einer Kommunikation mit reichem Sinngehalt. Denn all das bereitet auf ein ganzheitliches und großherziges Sich-Schenken vor, das nach einer öffentlichen Verpflichtung seinen Ausdruck findet in der körperlichen Hingabe. So wird die geschlechtliche Vereinigung als Zeichen einer allumfassenden Verbindlichkeit erscheinen, die durch den ganzen vorangegangenen Weg bereichert ist.
Erlernen eines guten Umgangs mit seinen Gefühlen und der richtigen Einordnung der sexuelle Anziehung
- Man darf die jungen Menschen nicht täuschen, indem man sie die Ebenen verwechseln lässt: Die sexuelle Anziehung » schafft zwar im Augenblick die Illusion der Vereinigung, aber ohne Liebe bleiben nach dieser „Vereinigung“ Fremde zurück, die genauso weit voneinander entfernt sind wie vorher «.[303] Die Körpersprache verlangt eine geduldige Lehrzeit, die ermöglicht, das eigene Verlangen zu deuten und zu erziehen, um sich wirklich hinzugeben. Wenn man alles auf einmal hingeben will, ist es möglich, dass man gar nichts hingibt. Verständnis zu haben für die Schwachheiten oder Verwirrungen der Heranwachsenden ist etwas anderes, als sie zu ermutigen, die Unreife ihrer Art zu lieben in die Länge zu ziehen. Doch wer spricht heute über diese Dinge? Wer ist fähig, die jungen Menschen ernst zu nehmen? Wer hilft ihnen, sich ernsthaft auf eine große und großherzige Liebe vorzubereiten? Mit der Sexualerziehung wird sehr leichtfertig umgegangen.
Akzeptanz und Wertschätzung des Körpers
- Die Sexualerziehung muss auch die Achtung und die Wertschätzung der Verschiedenheit einbeziehen, die jedem die Möglichkeit zeigt, die Einschließung in die eigenen Grenzen zu überwinden, um sich der Annahme des anderen zu öffnen. Jenseits der verständlichen Schwierigkeiten, die jeder erleben mag, muss man helfen, den eigenen Körper so zu akzeptieren, wie er geschaffen wurde, da » eine Logik der Herrschaft über den eigenen Körper sich in eine manchmal subtile Logik der Herrschaft über die Schöpfung verwandelt […] Ebenso ist die Wertschätzung des eigenen Körpers in seiner Weiblichkeit oder Männlichkeit notwendig, um in der Begegnung mit dem anderen Geschlecht sich selbst zu erkennen. Auf diese Weise ist es möglich, freudig die besondere Gabe des anderen oder der anderen als Werk Gottes des Schöpfers anzunehmen und sich gegenseitig zu bereichern. «[304] Nur wenn man die Angst vor der Verschiedenheit verliert, kann man sich schließlich aus der Immanenz des eigenen Seins und aus der Selbstverliebtheit befreien. Die Sexualerziehung muss dazu verhelfen, den eigenen Körper so zu akzeptieren, dass man nicht darauf abzielt, » den Unterschied zwischen den Geschlechtern auszulöschen, weil [man] sich nicht mehr damit auseinanderzusetzen versteht «.
Mannsein und Frausein: Geschlechtsidentität
- Ebenso wenig darf man übersehen, dass in der Ausgestaltung der eigenen weiblichen oder männlichen Seinsweise nicht nur biologische oder genetische Faktoren zusammenfließen, sondern vielfältige Elemente, die mit dem Temperament, der Familiengeschichte, der Kultur, den durchlebten Erfahrungen, der empfangenen Bildung, den Einflüssen von Freunden, Angehörigen und verehrten Personen sowie mit anderen konkreten Umständen zu tun haben, welche die Mühe der Anpassung erfordern. Es ist wahr, dass man das, was männlich und weiblich ist, nicht von dem Schöpfungswerk Gottes trennen kann, das vor allen unseren Entscheidungen und Erfahrungen besteht und wo es biologische Elemente gibt, die man unmöglich ignorieren kann. Doch es ist auch wahr, dass das Männliche und das Weibliche nicht etwas starr Umgrenztes ist. Darum ist es zum Beispiel möglich, dass die männliche Seinsweise des Ehemannes sich flexibel an die Arbeitssituation seiner Frau anpassen kann. Häusliche Aufgaben oder einige Aspekte der Kindererziehung zu übernehmen, machen ihn nicht weniger männlich, noch bedeuten sie ein Scheitern, ein zweideutiges Benehmen oder ein Schande. Man muss den Kindern helfen, diese gesunden Formen des „Austausches“, die der Vaterfigur keinesfalls ihre Würde nehmen, ganz normal zu akzeptieren. Die Starrheit wird zu einer übertriebenen Darstellung des Männlichen oder Weiblichen und erzieht die Kinder und die Jugendlichen nicht zur Wechselseitigkeit, die in den realen Bedingungen der Ehe „inkarniert“ sind. Diese Starrheit kann ihrerseits die Entwicklung der Fähigkeiten eines jeden bis zu dem Punkt hemmen, dass man es schließlich für wenig männlich hält, sich der Kunst oder dem Tanz zu widmen, und für wenig weiblich, irgendeine Führungstätigkeit zu entwickeln. Das hat sich gottlob geändert. Doch mancherorts verengen gewisse unsachgemäße Vorstellungen weiterhin die legitime Freiheit und verstümmeln die echte Entwicklung der konkreten Identität der Kinder oder ihrer Möglichkeiten.
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