22 Juli „Opa, wie gelingt die Liebe?“

Dr. Peter Trcka im Gespräch
Was Großväter für das Selbstbild und die Beziehungsfähigkeit ihrer Enkel bewirken können
Großväter begleiten das Leben ihrer Enkel oft über Jahrzehnte – mit ihrer Haltung, ihren Werten und ihrer Art, Beziehung zu leben. Doch wie viel Einfluss haben sie tatsächlich auf das Selbstbild und die Liebesfähigkeit der nächsten Generation?
Das Institut für Ehe und Familie sprach mit Dr. Peter Trcka, Psychotherapeut, siebenfacher Großvater und ehrenamtlicher Familienberater, über seine persönlichen Erfahrungen und beruflichen Einsichten.
IEF: Herr Dr. Trcka, wir sitzen hier in Ihrem Garten in Sommerein – ein Ort der Ruhe und Schönheit. Und doch sprechen wir heute über ein Thema, das in der öffentlichen Wahrnehmung oft nur am Rand vorkommt: die Rolle des Großvaters. Studien zeigen, dass Großväter heute durchschnittlich 30 Jahre lang das Leben ihrer Enkel begleiten – das sind rund zwölf Jahre mehr als noch vor einem Jahrhundert. Welche Rolle nehmen Sie selbst als Großvater ein?
PT: Meine Enkel sind mir sehr wichtig. Aber meine Frau und ich stehen als Ehepaar an erster Stelle – das ist unser Fundament. Für die Enkel sind wir immer da, aber nur auf „Zuruf“. Wenn sie bei uns sind, gelten unsere Regeln – und das wissen sie auch. Ich glaube, dass sie den klaren Rahmen durchaus genießen. Unsere gemeinsame Zeit ist geprägt von gegenseitigem Respekt und echter Aufmerksamkeit füreinander. Den Medienkonsum beschränken wir bewusst, weil echte Beziehung für mich nicht über Bildschirme funktioniert. Stattdessen bieten wir gemeinsame Erlebnisse an, und leben unsere Werte – etwa durch Gebet, Besuch der Messe am Sonntag oder die Beteiligung am Leben in unserer Gemeinde. Auch wenn unsere Enkel nicht so leben, wird unser Leben von ihnen akzeptiert. Ich denke, weil sie spüren: Das, was wir leben, ist authentisch.
IEF: Welche Werte möchten Sie als Großvater besonders weitergeben?
PT: Meine Frau und ich haben vor 50 Jahren zu einer persönlichen Gottesbeziehung gefunden. Seither ist die Bibel unser Kompass – besonders das Evangelium. Wir versuchen uns danach zu orientieren. Interessanterweise leben unsere Söhne diese Nähe zu Gott nicht in der gleichen Weise wie wir, aber sie übernehmen die dahinterliegenden Werte auf ihre Art. Und das zeigt sich dann wieder im Verhalten der Enkel. Es ist eine stille Weitergabe – nicht durch Predigen, sondern durch Vorleben.
IEF: Diese Haltung vermittelt Ruhe, Akzeptanz und Verwurzelung. Helfen diese Elemente Ihren Enkeln dabei, ein gesundes Selbstbild und Beziehungsfähigkeit zu entwickeln?
PT: Unbedingt. Kinder und Jugendliche spüren, ob eine Beziehung echt ist. Authentizität fördert Selbstwahrnehmung. Auch aus meiner therapeutischen Arbeit weiß ich: Gelebte Werte tragen entscheidend zur Entwicklung von Selbstannahme – Stichwort: Bodypositivity – und damit zur Beziehungsfähigkeit bei. Wenn ich als Großvater klar in der Liebe, aber auch in den Grenzen bin, lernen meine Enkel, was gegenseitiger Respekt bedeutet. Materielle Dinge spielen für mich übrigens eine untergeordnete Rolle. Und das, so scheint mir, hinterlässt Eindruck. Einer meiner Söhne hat in einem Buch zu meinem 80. Geburtstag geschrieben: „Wenn ihr wissen wollt, was ein glückliches Leben ist, redet mit meinem Vater.“ Das war für mich eine Bestätigung, dass die Kinder, und damit auch die Enkel, etwas mitnehmen – durch Beobachtung, nicht durch Belehrung.
IEF: Die Großvaterrolle hat sich im Lauf der Geschichte stark gewandelt. Früher galt der Großvater als oberste Autoritätsfigur – heute ist Autorität anders definiert. Was bedeutet Autorität für Sie?
PT: Ich sehe Autorität nicht als Macht, sondern als etwas, das einem zugeschrieben wird – durch Verhalten, durch Erfahrung. Bei meinen Söhnen habe ich mich früh zurückgenommen. Heute besteht zwischen uns eine freundschaftliche Autorität. Bei meinen Enkeln erlebe ich oft, dass sie mich als Gesprächspartner schätzen, dass sie Rat suchen – häufiger als meine Söhne früher. Das freut mich sehr. Es zeigt mir: Die Lebenserfahrung eines Großvaters hat auch heute noch große Bedeutung.
IEF: Welche Rolle spielen Humor und Demut im Miteinander mit Ihren Enkeln?
PT: Eine sehr große Rolle. Humor kann Spannungen lösen – wenn er echt ist. Als Großvater darf man sich auch mehr erlauben – im Unterschied zum Vater. Humor schafft Nähe. Demut wiederum, ist für mich kein unterwürfiges Verhalten gegenüber Menschen, sondern eine Haltung gegenüber Gott. Daraus entsteht Bescheidenheit – ein Wert, den ich meinen Enkeln mitgebe. Sie sollen erkennen: Genug zu haben ist eine Qualität. Ziele sind wichtig, aber ebenso das Wissen, wann etwas genügt. Das ist eine besonders wichtige Form von Freiheit.
IEF: Studien belegen, dass Werte wie Respekt, Bescheidenheit, Ehrlichkeit und Großzügigkeit für viele Großeltern zentrale Orientierungspunkte sind. Wie sehen Sie Ihren Einfluss als Großvater auf die Wertehaltung Ihrer Enkel?
PT: Ich habe gelernt: Wirklich beeinflussen kann man nur wenig. Als ehemaliger Bankmanager weiß ich, dass selbst große Kräfte nur einen Bruchteil des Geschehens lenken. Wenn ich als Großvater mit meinem Tun fünf Prozent bewirke, ist das viel. Ich sehe mich da wie im Gleichnis von den fünf Broten und zwei Fischen: Ich erbringe meinen Beitrag – und hoffe, dass daraus etwas Größeres wächst. Das Entscheidende ist, dass ich meinen Teil ganz erfülle, mit Demut und Verantwortung. Und wenn meine Enkel mich fragen: „Opa, wie gelingt die Liebe?“, dann sage ich ihnen: Lest den Korintherbrief, lest das Hohelied der Liebe – dort steht alles, was ihr wissen müsst.
Fazit
Das Gespräch mit Dr. Peter Trcka zeigt: Großväter sind weit mehr als liebevolle Beobachter – sie können zu stillen Helden der Beziehungsfähigkeit werden. Durch gelebte Werte, echte Präsenz und eine Haltung der Demut und Klarheit prägen sie das Selbstbild ihrer Enkel auf tiefgreifende Weise.
Liebe gelingt nicht durch große Worte, sondern durch kleine, konsequente Handlungen – durch Zuhören, durch Mitgehen, durch Vorleben. Wer als Großvater mit Herz, Humor und Haltung lebt, hinterlässt Spuren, die bleiben. Vielleicht nicht laut – aber tief.
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