Immer mehr Teenager wollen weniger Sex

teenager wollen weniger sex

Immer mehr Teenager wollen weniger Sex

Was Teenager wirklich wollen…

Mit der Schlagzeile „Teens are still having sex, most use contraception“ wollte CNN im vergangenen Jahr auf neue Zahlen des „National Health Statistics Report“ hinweisen. Interessant ist dabei aber, was sich gleichsam zwischen den Zeilen aus dieser Statistik herauslesen lässt: Es zeigt sich, dass immer mehr Jugendliche laut dieser Umfrage überhaupt gar keinen Sex haben. CNN nennt die Zahlen des neuen „National Health Statistic Report“ nur ganz zu Beginn ihres Artikels und geht dann gleich weiter zum Thema Verhütung. Interpretiert man jedoch diese Zahlen, erscheint ein interessantes Bild, das positiv aufhorchen lässt. Laut Report  hatten demnach 42 % der weiblichen Teenager und 44% der männlichen Teenager der befragten Testgruppe im Beobachtungszeitraum Zeitraum von 2011- 2015 mindestens einmal Geschlechtsverkehr. Das bedeutet jedoch im Umkehrschluss: Der Großteil der Jugendlichen der Stichprobe von 4.134 Teilnehmern in den Teenagerjahren hatte noch keinerlei sexuelle Erfahrung.

Immer mehr Jugendliche wollen mit dem Sex warten

Statistisch relevant und interessant war zudem die Entwicklung der letzten Jahrzehnte: Immer mehr Jugendliche scheinen mit dem Sex zu warten – hier ist ein signifikanter Aufwärtstrend zu beobachten. Das Bild des „typischen Jugendlichen“, das in der Gesellschaft vermittelt wird, ist jedoch bekanntlich ein anderes. Die veröffentlichte Meinung scheint davon auszugehen, dass Teenager regelmäßig auch mit flüchtigen Bekanntschaften ins Bett steigen. Dieser Eindruck, der vermittelt wird, hat umgekehrt wiederum Auswirkungen auf das Eigenbild und die Selbstdefinition der jungen Erwachsenen: Wie der Studienbericht „The Talk“ von einem Projektteam der Harvard Universität berichtet, fühlen sich Jugendliche von dieser „Hook-Up Culture“ zunehmend unter Druck gesetzt. Sie meinen, dieser allgemeinen Erwartung entsprechen zu müssen, um normal und zeitgemäß zu sein. Ständig neue Leute kennen zu lernen und mit ihnen auch zu schlafen sei in den Augen der Gesellschaft für junge Menschen üblich. Es sind gerade diese vermeintlichen Erwartungen, die in Folge das weitere Verhalten der Jugendlichen beeinflussen. Gerade in einem Alter, in dem die Meinung der eigenen Gruppe, der Vergleich mit anderen Gleichaltrigen und der Wunsch „dazu zu gehören“, „nicht anders zu sein“ im Mittelpunkt steht, ist ein Teenager emotional extrem unter Druck, sich auch entsprechend verhalten zu müssen.

Vermeintliche Erwartungen beeinflussen das Verhalten

Das kann dann unter Umständen dazu führen können, dass Teenager und junge Erwachsene sich dazu gedrängt fühlen, eigene Grenzen zu überschreiten, obwohl sie sich dafür weder interessieren noch bereit fühlen, lediglich um der gesellschaftlich transportierten Norm zu entsprechen. Wenn im Freundeskreis das Bild vermittelt wird, dass es heutzutage „eh ganz normal sei“, schon relativ früh und häufig wechselnde Beziehungen zu haben, dabei auch sexuell aktiv zu sein – und niemand dem widerspricht, dann tritt die Wirkung der Schweigespirale ein. Aussagen weniger beeinflussen dann die Meinung vieler, aus Sorge, aus der Reihe zu tanzen, schweigt der nicht zustimmende Großteil. Da für Teenager die Identität mit der Gruppe sozial existenziell ist, möchten sie nicht anders als ihre Freunde, als die Peergroup, sein. Schließlich fügen sie sich im schlimmsten Fall resignierend diesen vermeintlichen Erwartungen und überschreiten ungewollt eigene innere Grenzen. Wie die angegebenen Zahlen belegen, beruht dieser Druck mehr auf gesellschaftlichen Annahmen als auf dem realen Verhalten der Jugendlichen. Befragt man Jugendliche nach dem Grund, warum sie keine sexuelle Erfahrung gemacht haben, zeigt sich, dass hier durchaus bewusste Entscheidungen dagegen getroffen wurden. Der meist genannte Grund ist, dass dies nicht ihren „religiösen oder moralischen“ Einstellungen entsprechen würde. Als zweitmeist genannter Grund wird angeführt, dass „bislang noch nicht die richtige Person gefunden wurde“.

Kinder und Jugendliche verfügen über ein feines Gespür für Werte

Die Zahlen zeigen: Eltern können hier helfen und spielen eine große Rolle in den Wünschen der Jugendlichen, sie können das verantwortungsvolle Sexualverhalten der Jugendlichen unterstützen und stärken. Eltern stehen hier vor einer doppelten Herausforderung und haben Möglichkeit, ihre Kinder zu unterstützen:

Erstens sind sie dazu aufgerufen, im Rahmen der Erziehung die Wünsche und Sehnsüchte ihrer Kinder ernst zu nehmen, auf ihre Kinder einzugehen. Jemand, der gelernt hat, auf seine innere Stimme, auch sein Gewissen, zu hören, der auch im Alltag anders sein darf, seine Gefühle ernst nehmen darf und sich dabei in der Liebe der Eltern sicher weiß, ist stark. Ein Mensch, der in sich zu ruhen gelernt hat, lässt sich nicht so leicht ungewollt von außen steuern.

Zweitens sind Eltern gerade in Zeiten der Unruhe wie während der Pubertät herausgefordert, den emotionalen Stürmen ihrer Kinder als Fels in der Brandung Stärke zu vermitteln. Es ist in dieser Phase wichtig, dass ein Teenager erlebt, dass  Vater und Mutter beständige Werte vertreten und sich bemühen, diese in ihrem Leben zu leben, egal was andere dazu sagen oder ob die Umsetzung gerade konkret schwer ist. Eltern, die so eine Authentizität vorleben, schaffen ihrem Kind die Basis für ein starkes und tief verwurzeltes Leben, sie zeigen ihm, dass es sich lohnt, den Blick auf ein höheres Gut zu richten.

Eine Umfrage von Unicef  zeigt, dass entgegen verbreiteter Ansichten von einem drohenden „Werteverfall“ Kinder und Jugendliche ein feines Gespür für Werte und Wertorientierung haben. So sagen 75 Prozent der 6- bis 14-Jährigen, dass ihnen „Familie“ und „Freundschaft“ „total wichtig“ sind. Daneben haben personenbezogene Werte wie „Geborgenheit“, „Vertrauen“, „Ehrlichkeit“ und „Zuverlässigkeit“ für die Kinder einen klar höheren Stellenwert als etwa „Geld/Besitz“, „Durchsetzungsfähigkeit“, „Ordnung“ – die fast abgeschlagen auf den letzten Rängen liegen, wie auch der Wert „Glauben“. Werte wie „Vertrauen“ und „Respekt“ sind für die Kinder in den vergangenen Jahren sogar immer wichtiger geworden. Damit diese Sehnsüchte nach Beständigkeit und Werte nicht aufgegeben werden, ist die Mithilfe und Bestärkung der Eltern wichtig.

Wunsch nach Unterstützung der Eltern

Was Jugendliche sich nach eigenen Angaben wünschen und oftmals vermissen ist vor allem eines: Mehr Anleitung, Führung und Unterstützung durch Eltern und Schule in Sachen Liebe und Beziehung.

Über 70 % der befragten Jugendlichen der Harvard-Studie wünschen sich mehr Gespräche mit ihren Eltern über die emotionalen Aspekte einer Beziehung. Teenagern möchten dabei nicht nur die klassischen Aufklärungsgespräche mit ihren Eltern führen, sondern sie wünschen sich vordergründig Unterstützung und Anleitung dabei, wie man gesunde romantische Beziehungen führt. Die Untersuchung zeigt, dass Eltern für Teenager nach wie vor großen Einfluss darauf haben, wie Jugendliche im Bereich von romantischer Beziehung und Sexualität leben. Gleichzeitig ist Verunsicherung vorhanden, wie heute noch der immanent vorhandene Wunsch nach gesunder und heiler Beziehung gelebt werden kann. Denn die Zahlen legen offen: Die allerwenigsten Teenager sprechen mit ihnen vertrauten Erwachsenen über diese Themen.

Bei aller Verunsicherung durch gesellschaftlichen Druck oder auch andere Einflüsse wie etwa dem weit verbreiteten Pornografiekonsum, auf den die Harvard-Studie später noch eingeht, bleibt einerseits der Wunsch nach vertrauter intimer Beziehung, in der dann Sexualität gelebt werden möchte. Es hilft den Jugendlichen offensichtlich nicht, Gespräche über Sexualität auf die klassischen Aufklärungsthemen zu beschränken. „Wir haben riesige Institutionen, um unsere Jugendlichen auf ihre spätere Arbeit vorzubereiten, aber nichts, um sie auf die Liebe vorzubereiten“, kritisiert Dr. Weissbourd auf der Homepage des Projektes und fordert, dass Erwachsene und Kindern wieder mehr Möglichkeiten und Gelegenheiten haben sollten, über Liebe und Beziehung zu sprechen.

Eltern und Pädagogen dürfen sich trauen, jenen Raum zu nutzen, den Teenager ihnen durch ihr Fragen und Suchen öffnen und ihnen damit helfen, mehr und mehr fähig zu werden, gesunde und reife romantische Beziehungen zu führen.

Weiterführender Beitrag vom IEF