Die Eltern sind gefordert – Sexualerziehung

Sexualerziehung

Die Eltern sind gefordert – Sexualerziehung

Wo sich die Geister scheiden

Der Sexualkunde-Unterricht in der Schule ist heftig umstritten. Vielfach werden Kinder viel zu früh zu einer Einstellung verführt, die konträr zum christlichen Menschenbild ist. Wie sollen Eltern damit umgehen? Im Folgenden eine Situationsbeschreibung und einige Tipps.

Was uns als Menschen zutiefst ausmacht und prägt

Unsere Sexualität und Geschlechtlichkeit ist etwas, was uns als Menschen zutiefst ausmacht und prägt. Debatten zu diesem Thema gehen daher oft tief, erhitzen sich schnell und sind oft kontrovers – weil es jeden angeht und jeder betroffen ist. Hinter solchen Debatten stehen letztlich die bedeutenden Fragen: „Was ist Sexualität?“, „Was heißt es Mann/Frau zu sein?“, ja „Wer ist der Mensch?“. Auf der ganz praktischen Seite stellt sich für Eltern die Frage „Wie klären wir unser Kind auf?“ und „Wie schützen wir unser Kind gegen negative Einflüsse?“

Nachdem die Kirche lange Zeit die prägendste Kraft im öffentlichen Sprechen über Sexualität und Sexualerziehung war, entstanden in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts verschiedene Strömungen in der Sexualpädagogik: in den 1970er Jahren entwickelte sich der „emanzipatorische“ Ansatz der Sexualpädagogik, der zur „Sexualpädagogik der Vielfalt“ wurde und sich zum heute oft zu lesenden Begriff der „kritisch-reflexiven Sexualpädagogik“ entwickelte. Auch der Begriff der „sexuellen Bildung“ wird in diesem Zusammenhang häufig gebraucht.

Ziel dieses Ansatzes ist es, den jungen Menschen „alle Möglichkeiten und Fähigkeiten“ zur Verfügung zu stellen, damit sie „selbstverantwortet und selbstbestimmt“ ihre Sexualität entwickeln können. Dieser heute meist vertretene Ansatz hat im Hintergrund ein Menschenbild, das den Menschen als soziales Gebilde versteht, nicht als gegebenes Sein.

Entscheidend wäre dann nur das subjektive Empfinden

Entscheidend für die geschlechtliche und sexuelle Entwicklung ist laut dieser Sexualpädagogik das subjektive Lustempfinden. Das schließt, konsequent zu Ende gedacht, jede Festlegung wie etwa die Polarität zwischen Mann und Frau oder Körperlichkeit als (mit)bestimmende Größe für das eigene Geschlecht aus. Entscheidend ist dann das subjektive Empfinden, das sich aus der Sozialisation des Menschen heraus entwickelt.

Das klingt zwar alles nach „Freiheit“, „Verantwortung“ und nach „Selbstbestimmung“, kennt jedoch als einzigen Kompass in der Entwicklung des Kindes nur das subjektive sexuelle Lustempfinden des Heranwachsenden und führt letztlich zur Beliebigkeit. Hier zeigt sich also, wie eng die Frage nach der Sexualität mit der Frage „Was ist der Mensch?“ verknüpft ist.

Der verkürzte Blick heutiger Pädagogik

Als Beispiel seien Aussagen zum „ersten Mal“, also dem ersten Geschlechtsverkehr angeführt, die sich in vielen Aufklärungs-Broschüren der Sexualpädagogik der Vielfalt finden. Dort heißt es oft: „Wenn du dich danach fühlst, tu es!“. Dass für eine solche Entscheidung aber mehr als das bloße momentane Empfinden wichtig sein könnte, wird gar nicht erst erwähnt. Fragen wie: „Was weißt du eigentlich über Sexualität und was bedeutet sie für dich?“, „Wie sieht die Beziehung zur anderen Person aus?“ oder „Was bedeutet es für mich, dass ich Vater/Mutter werden kann?“ – all diese Aspekte, die ebenso die Lebensrealität des Jugendlichen betreffen, scheinen für jene Ratgeber irrelevant zu sein. Entscheidend sind offensichtlich nur das momentane subjektive Lustempfinden und dessen Maximierung.

In Wirklichkeit ist der Mensch in seinem Leben mit Realitäten konfrontiert, denen er nicht ausweichen und über die er nicht verfügen kann, sei es sein ihm gegebener Körper oder etwa ein entstandenes Kind. Ansätze, die Sexualität, Geschlechtlichkeit und letztlich das Sein des Menschen selbst als konstruierte Größen betrachten, befähigen den Heranwachsenden nicht, sich der Realität zu stellen und verantwortungsvoll mit ihr umzugehen.

Die ganzheitliche Sicht

Seit einigen Jahren entwickelt sich eine Sexualpädagogik, die einen anderen, ganzheitlichen Ansatz hat: Sexualität und Geschlechtlichkeit werden nicht als soziale Konstrukte betrachtet, in denen die Biologie kaum eine  Rolle spielt, sondern man argumentiert mit dem Ineinander von Anlage und Umwelt: der Mensch kommt als geschlechtliches Wesen auf die Welt und nimmt diese als solches wahr .

Zugleich hat natürlich auch die Umgebung des Kindes Einfluss auf die Entwicklung des Heranwachsenden. Sexualität wird als komplexes Phänomen betrachtet, in dem die vielfachen Dimensionen des Menschseins ineinandergreifen: Seine Körperlichkeit, seine Lust, seine Fruchtbarkeit, seine Bedürfnisse und Motive, seine Sehnsucht nach Bindung und Beziehung, sein Wunsch nach Selbststand und Sinnerfüllung.

Unterschiedliche Grund­annahmen über den Menschen wirken sich also fundamental auf die Sexualpädagogik aus. Nimmt man die oben angeführten psychologischen Prinzipien ernst, dann muss Sexualpädagogik junge Menschen darin unterstützen, ein positives Verständnis der eigenen Geschlechtlichkeit aufzubauen und dazu befähigen, Beziehungen zu leben, in denen sie sich sicher und vertraut fühlen und zugleich einen Selbststand bewahren können.

Der Jugendliche hat die Aufgabe, seine Sexualität reflektiert in seine Beziehungen mit einzubringen – vor dem Hintergrund seines Wunsches nach Bindung und Selbststand. Der junge Mensch soll darin gefördert werden, eine positive Einstellung gegenüber der eigenen Geschlechtlichkeit zu entwickeln, Bindungen und Beziehung unter Einbeziehung der eigenen Motive und Bedürfnisse, der Umstände und möglicher Konsequenzen verantwortlich zu gestalten.

Die entscheidende Rolle der Eltern

Und spätestens genau hier kommen die Eltern ins Spiel. Mitten in den aktuellen politischen und medialen Debatten ob nun Lehrer an den Schulen oder doch besser schulexterne Einrichtungen den Kindern und Jugendlichen Wissen und Haltungen zum Thema Sexualität vermitteln sollen, wird die erste Adresse für Sexualerziehung völlig links liegen gelassen: die Eltern. Selbstannahme, Respekt vor dem anderen (Geschlecht), Vertrauen in Beziehungen, Bindungsfähigkeit, die Fähigkeit durch schwierige Phasen durchzugehen – all das wird am besten grundgelegt und vermittelt durch die Eltern, durch die Familie. Sexualität mag als ein peinliches Thema gesehen werden – für Jugendliche wie für Eltern. Aber wir Eltern kommen nicht umhin, den Stier bei den Hörnern zu packen:

  • Früher dran sein mit dem Thema als außerfamiliäre Personen und Einrichtungen
  • Eine einfache und klare Sprache pflegen und Dinge einfach beim Namen nennen
  • Den Jugendlichen die volle Wertschätzung und Annahme ihrer Person signalisieren
  • Stets sensibel sein für Signale, dass Ihr Kind reden will – und dann mehr zuhören als reden
  • Einen Erziehungsstil pflegen, in dem das Kind ermutigt wird, an sich zu arbeiten und sich entfalten kann
  • Und wenn Sie gläubig sind, den Kindern und Jugendlichen in allen tiefen Fragen des Lebens die Dimension über unser irdisches Leben hinaus vermitteln. Denn die großen Fragen des Lebens wie Liebe, Leiden oder dem Sinn des Daseins lassen sich letztlich nur aus dieser Perspektive beantworten.

Das sind jetzt nur einige kurz aneinandergereihte Tipps und Appelle. Das Thema ist zu vielfältig um in wenigen Zeilen ausreichend erörtert zu werden. Aber es gibt bereits viele gute Ratgeber in Form von Büchern oder Homepages (siehe Kasten). Stellen Sie sich als Eltern dieser Herausforderung. Es geht um nichts weniger als um das Glück Ihrer Kinder.

Weiterführende Links:

www.prinzipien-sexualpaedagogik.org

Auf der Seite www.sexualerziehung.at findet sich der empfehlenswerte Folder „Sexualaufklärung zu Hause und in der Schule – eine Elternhilfe“

www.safersurfing.org – Für ein Leben ohne Pornografie

(Artikel erstmals erschienen in: Vision 2000 4/19)

Johannes Reinprecht
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