12 Apr Das peinliche Geheimnis!
Mit Kindern über Sexualität ins Gespräch kommen bedeutet für Eltern im ersten Moment unter Umständen, die eigene Komfortzone zu verlassen. Wir haben vier Söhne, die bereits weitgehend die Pubertät überstanden haben. Sexualität ist immer wieder Gesprächsthema bei uns in der Familie. Das Wichtigste war und ist die Bereitschaft, in einer klaren und wertschätzenden Weise über Sexualität zu sprechen. Seit wir uns intensiver mit diesem Bereich beschäftigt haben, ist uns klar geworden, dass Sexualerziehung vom Mutterleib bis zum Jugendalter geschieht. Instinktiv haben wir in der Baby- und Kleinkinderzeit vieles richtig gemacht. Mit unseren Tipps möchten wir Eltern ermutigen: so schwierig ist es gar nicht!
Liebessatt machen
Als unsere Buben Babies waren, haben wir uns bemüht, sie „liebessatt“ zu machen. Und das hat beim Baby ganz stark mit dem Eingehen auf seine Bedürfnisse zu tun, mit Körpernähe und „satt werden“, wenn es Hunger hat. Trotz vier Kaiserschnittgeburten konnte ich unsere Buben stillen. Durch unser Dasein, unsere Hingabe an das Kind (besonders der Mutter), merkt das Kind: „Ich kann mich auf meine Eltern verlassen, da ist mein Zufluchtsort.“ So glauben wir, dass unsere Kinder diese Urgeborgenheit erfahren haben und mutig und zuversichtlich ins Leben gehen. Das Ziel in der Sexualerziehung ist ja die Liebesfähigkeit unseres Kindes: Die Fähigkeit, von sich selber wegzuschauen und auf die Mitmenschen einzugehen; später einmal Bindungs- und Beziehungsfähigkeit zu erlangen. Da werden sie von uns Eltern geprägt durch das, was wir vorleben. Unsere Kinder beobachten uns genau. Aufklärung hingegen (auch in der Schule) ist methodisch, praktisch, vom Kopf her möglich, und wenn sie gut gemacht wird, auch wichtig. Aber Sexualerziehung zu Hause kann durch die Schule nicht ersetzt werden.
Unbefangen sprechen
Ist es besser, nur die Fragen zu beantworten, die die Kinder auch wirklich stellen, oder das Thema Sexualität als Eltern aktiv anzusprechen? Prinzipiell sollte uns klar sein, dass die Sexualität alles andere als eine Zumutung, sondern ein herrliches Geschenk ist. Und wir müssen beobachten und sehen, dass unser Kind kein geschlechtsloses Wesen ist. Es entdeckt, dass Mädchen und Bub, Mann und Frau verschieden sind und fragt danach. Das Tolle ist, dass kleine Kinder zwischen drei und sieben Jahren eine ganz unbefangene und reine Einstellung zu ihrer Geschlechtlichkeit haben, gepaart mit spielerischer Entdeckerlust. Ein kleiner Bub, der demonstrativ vor dem Papa an seinem Glied zupft, möchte vielleicht hören: „Genau, du bist ein toller Bub.“ Und ein Mädchen, das ihr Röckchen hebt: „Wow, bist du aber ein hübsches Mädchen.“ Es will also Bestätigung seiner Geschlechtlichkeit erfahren. Wir sollten alle Fragen, die die Kinder stellen, ehrlich beantworten. Wichtig ist in dieser Zeit, dem Kind die genauen Benennungen der Geschlechtsorgane zu erklären. Auch sollen sie erfahren, dass ein Baby im Bauch der Mutter heranwächst, versorgt wird und wie es zur Welt kommt. Mit vier bis sechs Jahren kann man dann das Kinderbilderbuch: „Mama, Papa und ich“ mehr oder weniger ausführlich gemeinsam lesen.
Vorsicht mit Bildern
Da ist einfach Sensibilität gefragt. Ansonsten empfehlen wir sehr vorsichtig mit Aufklärungsbüchern zu sein, weil Bilder immer ungefiltert ins Gehirn gelangen. Beim gesprochenen Wort kann das Kind selber die Vorstellung entwickeln, die ihm guttut. Die Zumutung für uns Eltern in der heutigen Zeit besteht eher darin, dass wir unsere Kinder über den Geschlechtsakt informieren müssen und uns denken, dass sie das eigentlich noch nichts angeht. Aber tun es nicht wir, werden es andere tun. Da gibt es die Schulfreunde, die schmutzige, zweideutige Reden schwingen; Zeitschriften, Magazine und Handys mit delikaten Bildern. Ein Klick am PC und schon schlagen schamlose Menschen schamlos Kapital mit der natürlichen Neugier und dem Wissensdefizit unserer Kinder und besudeln so ihre Gedankenwelt.
Ein Beispiel für konkrete Worte
Wir haben es so erklärt: Wenn du Mama oder Papa oder deinen Bruder ganz stark lieb hast, umarmst, küsst oder streichelst du sie. Mann und Frau haben eine ganz besondere Art, sich gegenseitig zu zeigen, dass sie sich ganz lieb haben. Wenn sie „miteinander schlafen“, streicheln und küssen sie einander und dann wird das Glied des Mannes steif. Nun kann er es in die Scheide seiner Frau geben. Die beiden passen wunderbar zusammen und es ist für beide ein sehr schönes Gefühl. Dann fließt Samenflüssigkeit aus dem Glied des Mannes – diese ist fruchtbar. Manchmal, wenn auch die Frau fruchtbar ist, kann dadurch ein Baby entstehen. Die Reaktionen unserer Kinder waren von interessiert nachfragend bis ziemlich gelassen und cool. Wir hatten nicht das Gefühl, dass sie dieses Geschehen abstoßend fanden. Eine Freundin, die ihrer Tochter dies in ähnlicher Weise erklärte, erzählte uns, dass das Mädchen fasziniert fragte: „Schön, darf ich da einmal dabei sein?“ Darum haben wir dann ergänzt: “Weißt du, das ist eine ganz besondere Sache nur zwischen uns beiden und da möchten wir unbedingt alleine sein.“
Im Gespräch mit der Schule
Als unser dritter Sohn in die dritte Volksschule ging, klagten die beiden Lehrer, dass die Kinder im Sachunterrichtsbuch ständig die bestimmte Seite aufschlugen (nackter Mann und nackte Frau liegen aufeinander und lächeln selig) und die Lehrer ständig baten:
„Wann machen wir endlich dieses Thema?“ Außerdem lief durch ein paar Buben so ein gewisser „Sprachschatz“ in der Klasse, von dem man nur hoffen konnte, dass sie selber nicht verstanden, was sie sagten. Die Lehrer luden mich (Uschi) ein, in die Klasse zu kommen und das Thema (Zeugung, Schwangerschaft und Geburt) mit den Kindern zu besprechen. Ich bat die Lehrer, die Eltern zu informieren, nahm eine schwangere Freundin mit und unser Buch. Zwei Stunden aufmerksam lauschende Kids mit geröteten Wangen, und die schwangere Mutti und ich wurde mit Fragen gelöchert. Viele Kinder erleben ja keine Schwangerschaft mehr in der eigenen Familie. Einige Wochen später sagten mir die Lehrer, dass das Thema ab diesem Zeitpunkt in dieser Klasse kein Thema mehr war und die Fäkalsprache weg war. Ich habe mir gedacht: „Das große peinliche, undefinierbare Geheimnis ist gelüftet und jetzt ist alles gut.“
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