Bonding: Leben – Lieben – Konsistenz

Bonding: Leben – Lieben – Konsistenz

Bonding: Leben – Lieben – Konsistenz

Feste Bezugspersonen sind wie Felsen in der Brandung. Das scheint unbestritten, wenn man Kinder zu gelassenen und selbstsicheren Erwachsenen erziehen möchte. Man kann von Bonding als Grundlage von gelebter Harmonie und Beziehungsfähigkeit sprechen. Bonding ist nichts anderes als der deutsche Begriff „Bindung“. Wer bestreitet ernsthaft im Jahr 2021, dass Bindung nicht essentiell für gute Partnerschaft und gelingende Elternschaft wäre? Das war nicht immer so. Aus eigener Erfahrung mit vier leiblichen und zwei Pflegekindern kann ich dies aber absolut bejahen.

Dieses unsägliche Wort! Bonding… Unfassbar oft habe ich es gehört, seit der ersten gefühlten Minute, seit dem ersten Ziehen in Bauch und Brust, seit der ersten Bestätigung durch den ersten Schwangerschaftstest meiner ersten Schwangerschaft. Also, vor bald 20 Jahren! Damals galt dieser Begriff noch als eher gespreizt. Anglizismen, wie sie nun völlig in unserer Sprache aufgegangen sind, waren damals noch manchmal Zungenbrecher. Und doch, es ist eine wunderbare Umschreibung und ein Angelpunkt in der Erziehung von Kindern aller Altersstufen zum mutigen, vernünftigen und konsistenten Erwachsenen.

 

Wesentlicher Baustein des Menschseins

Ursprünglich galt es, das Neugeborene zu „bonden“. Es begann mit dem Auf-die-Brust-Legen des Babys unmittelbar nach der Geburt, ging dann zu dem Belassen des Kindes im Bettchen bei der Mutter in den ersten Tagen nach der Geburt bis hin zum langen Stillen. Demgegenüber steht und stand eine möglichst schnelle Rückkehr in die aktive Arbeitswelt, kurze Stillzeit, schnelle Fremdbetreuung und Schaffung vieler Bezugspersonen, damit kein Klammern durch das Kind entsteht. Ein Spagat, der von Müttern erwartet wird.

Wie sehr fehlendes Bonding im Kindesalter zu Brüchen führen kann, will ich kurz umreißen. Wir dürfen seit bald acht Jahren zwei Pflegekinder begleiten. Sie haben ihre Geschichte. Bonding war für deren leibliche Familie nie vorrangiges Thema. Es scheint fast, als wäre es ein Luxus-Begriff, der nur dann in der Entwicklung eines Kindes zum Tragen kommen kann, wenn Eltern genug persönliche und finanzielle Freiheit besitzen, sich der Beziehungsarbeit mit ihren Kleinen zu widmen. Und die Realität zeigt, dass das wohl auch nicht von der Hand zu weisen ist. Wer selbst keine positiven Kindheitserfahrungen gemacht hat, wird sich schwertun, diese Erfahrungen als wesentlich für die Erziehung seiner eigenen Kinder zu sehen. Und dies ist nicht wertend gemeint. Der Blickwinkel richtet sich sehr stark nach den eigenen Lebensgeschichten. Wir sind alle auf gewisse Weise Produkt unserer eigenen Geschichte.

Bonding als echte, intensive, bewusste Beziehungsarbeit begann für unsere Pflegekinder neu bei uns und mit uns. Es war dies mit einem langen, steinigen Weg verknüpft, aber dieser heilt. Dieser Weg heilt auch uns. Es ist ein Wunder. Beziehungsabbrüche, mangelnde Bonding-Erfahrung und wiederkehrender Aufbruch in neue Welten schaffen zwar Resilienz. Aber eben auch ein immanentes Gefühl des „Zu-Gast-Seins“, ein Fremdsein. Und jede Leserin, jeder Leser kann sich hier sicher gedanklich viel vorstellen und nachfühlen, was damit gemeint ist. Was heißt das? Bonding ist wesentlicher Baustein des Menschseins…

 

Loslösung in der Pubertät – ein scheinbarer Widerspruch

Bonding als Grundlage gelingenden partnerschaftlichen Lebens hört aber nicht in der Kleinkindphase auf. In der Pubertät emanzipieren sich die Kinder von den Eltern, und diese auch von den Kindern. Doch das ist nur ein scheinbarer Widerspruch, denn Kinder müssen losgelassen werden, gerade in der Zeit der physischen und psychischen Abnabelung vom Elternhaus. Aber auch nicht ganz. Die komplette Palette der Gesprächsführung, der Rhetorik, der Kommunikationsskills, usw. sowie der Zeit ist ab nun nötig. Doch das wird oft übersehen. Wir Mütter und Väter jammern über die pubertären Anstalten, die üblichen Reibereien unserer Kinder fordern uns heraus. Aber es ist genau dieses „Nicht-Ausweichen“, dieses „Dem Angriff-Standhalten“, dieses „Komm-steig-in-den-Ring-fighte-es-aus“, dass den Unterschied macht und zeigt, dass Bindung besteht und der andere mir nicht egal ist. Kinder kommen nun in erster Linie als junge Ratsuchende. Bonding mit Jugendlichen besteht dann weitgehend ohne Körperkontakt, ist aber so wichtig: Soul-Bonding.

 

Bindung bedeutet Sicherheit

Wenn wir nun zusammenfassen, so stellen wir fest: Zuerst geht es um Bonding mit den Kleinen, ein nicht nur intellektueller, sondern primär physischer Zustand. Je älter die Kinder werden, desto mehr verlagert sich der Schwerpunkt des Bondings ins Psychische. Von Body- zu Soul-Bonding also. Aber immer zeigt diese Verbindung dem anderen: Ich bin für dich da, ich nehme dich wahr. Du bist wertvoll. Und du bist in Sicherheit. Wenn man beide Bondingvarianten als wesentlichen Baustein des Menschseins verinnerlicht, so ist es nur logisch, dass diese unumgängliche Beziehungsarbeit und Grundvoraussetzung für unsere Kinder ist, für ihre eigene gelingende Partnerschaft, Zärtlichkeit und damit auch Sexualität. Es schließt sich der Kreis.

Daher: Lasst uns mit unseren Kindern bonden, und zwar: For life!

Katharina Nepf