Aufklärung „personal“ – Die Pubertät vollzieht sich in der Person

Aufklärung „personal“ – Die Pubertät vollzieht sich in der Person

Aufklärung „personal“ – Die Pubertät vollzieht sich in der Person

Welche Themen fallen uns ein, wenn wir an die sexuelle Aufklärung unserer Kinder denken? – Vermutlich biologische Themen, das Thema der Hygiene und dann natürlich Themen der ersten Liebe, das Thema Selbstbefriedigung und die Warnung vor Pornografie.

Es gibt keine starre Gebrauchsanweisung

Nehmen wir einschlägige Aufklärungsratgeber zur Hand, dann finden wir dort exakt die gleichen Themen. Studiert man diese Ratgeber, dann erhält man den Eindruck, dass die Pubertät eines Mädchens oder eines Jungen nach einem festen Muster verläuft, die man mit einer Art Gebrauchsanweisung abarbeiten kann.

Was in solchen Aufklärungsratgebern verloren geht, ist die personale Seite der Sexualität. Denn Sexualität hängt nicht nur mit dem biologischen Erwachen des Körpers zusammen. Aufklärung sollte sich auch nicht im Abarbeiten der Themen erschöpfen, die uns von der Gesellschaft aufdiktiert werden. Denn bei der Sexualität eines Jungen und eines Mädchens geht es um etwas „Personales“.

Was ist damit gemeint? Einfach das: Versetzen sie sich einmal zurück in ihre Pubertät. Wie war das, als sie zum ersten Mal vor dem Spiegel merkten, da verändert sich etwas. Wie haben sie sich gefühlt? Was haben sie über sich gedacht und über ihren Körper? Und was hat dann begonnen? Das heimliche Vergleichen der eigenen Veränderung mit anderen? Das Lesen von Aufklärungsinformationen in Zeitschriften, Lexika oder im Internet? Und dann, das Kreisen um die Anforderungen, die man in solchen Informationen über sich zu entdecken glaubt? Bin ich normal? Ist mein Körper ok? Funktioniere ich richtig? Muss ich mir Sorgen machen, wenn ich noch keine Freundin habe? Könnte ich meinen Status erhöhen, wenn ich mir einen Freund zulege? Etc.

Wichtig ist die personale Zuwendung der Eltern

All diese Fragen sind nur ein klitzekleiner Ausschnitt von Fragen, denen wir bei pubertierenden Mädchen und Jungen in der sexualpädagogische Beratung begegnen. All diese Frage machen aber klar: Die Pubertät kann nicht mit einer Gebrauchsanweisung abgearbeitet werden. Die Pubertät eines Jugendlichen braucht die personale Zuwendung der Eltern. Die Frage dabei ist: Was bewegt mein Kind, jetzt wo es vor einem sich verändernden Körper und vor einer Welt mit sich verändernden Beziehungen steht? Die zweite Frage ist: Wie kann ich mein Kind bei dieser personalen Auseinandersetzung zwischen Biologie und Umwelt hin zu einer eigenen Sicht über sich begleiten?

Ganz einfach mit der Frage, die bereits oben gestellt wurde: Versetzen sie sich zurück in ihre eigene Pubertät. Wie war es als sie zum ersten Mal feststellten: Mein Körper verändert sich? Welche Fragen kamen in ihnen auf? Welche Ängste? Wie war es, als sie sich zum ersten Mal überlegten, eine Freundin oder einen Freund zu erobern? Was waren die Beweggründe? Um welche soziale Anerkennung ging es ihnen? Welchen Einfluss hatten ihre nächsten Freunde oder Freundinnen auf ihre erste vermeintliche Liebe? – Etc.

Überlegen sie dann: Ging es in der Beschäftigung mit dem Körper um kalte Informationsgewinnung? Ging es bei der ersten Liebe um wahre Liebe? Oder ging es eher um die Frage: Wer bin ich? Wer bin ich als Frau oder als Mann? Wer werde ich morgen sein? Schaffe ich das Morgen, mit dem was ich am Leibe trage? Muss ich nicht ein Mädchen oder einen Jungen als Freundin oder Freund gewinnen, um angesagt zu sein?

Spätestens an dieser Stelle merken sie vielleicht: Unter der Oberfläche der Pubertät ging es auch bei ihnen um ganz persönliche Themen. Über diese Themen, über die darin liegenden Kämpfe und persönlichen Auseinandersetzungen spricht aber keiner. Beginnen sie über ihre Geschichte mit ihrem Teenager zu sprechen. So beginnt personale Erziehung. Und so setzen sie das Thema Sexualität und Erziehung in einen neuen Rahmen: In den Rahmen, dass Sexualität in einer Person angeeignet werden muss und sich weder entlang gesellschaftlicher Klischees entwickelt noch sich in einer rein biologischen Entwicklung erschöpft. Denn Sexualität ist ein Thema, das jeder für sich in seine Person integrieren muss. Das aber geht nur entlang der Fragen und Ängste, die aus der Person selbst aufsteigen und nicht über Aufklärungsratgeber

Markus Hoffmann
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